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Screenshot von geld-ist-alle.de„Neuerdings präsentieren die Studenten Klas Roggenkamp und Mortimer Treichel im Internet den aktuellen Schuldenstand der Bundeshauptstadt – neben dem Emblem eines Berliner Bären, der bettelnd seinen Hut hinhält.“

erschienen am 05.11.2002 in der Stuttgarter Zeitung


In der Not will Wowereit an das Geld der Beamten

Auf der Hauptstadt lasten 46 Milliarden Euro Schulden

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) setzt sich für eine Öffnungsklausel im Besoldungsrecht der Beamten ein, um der Hauptstadt höhere Personalkosten zu ersparen. Anders kann er den Schuldenzuwachs wohl nicht mehr in den Griff bekommen.

Von Birgit Loff, Berlin

Es ist nicht der erste Versuch, den Ländern Spielraum bei der Besoldung ihrer Beamten zu verschaffen. Jetzt aber, mit dem Regierungschef der Hauptstadt als Türöffner, könnte es wirklich dazu kommen. Während der jüngsten Konferenz der Ministerpräsidenten in Hamburg brachte Klaus Wowereit beim Kamingespräch die beabsichtigte Bundesratsinitiative zur Sprache. Es regte sich keinerlei Widerspruch.

Noch in diesem Jahr rechnet der Berliner Senat mit einem Beschluss der Länderkammer. „Wir gehen davon aus, dass die Entscheidung mit großer Mehrheit, vielleicht sogar einstimmig, erfolgt“, prophezeit der Regierungssprecher Michael Donnermeyer, „die Zeit ist wohl reif dafür“. Anschließend muss noch der Bundestag einer Gesetzesänderung zustimmen. Berlin schlägt vor, dass die Länder über die Tarife für ihre Beamten frei verhandeln sollen. Die Besoldung könnte dann um bis zu zehn Prozent geringer ausfallen als beim Bund: Je nach Kassenlage würden die Länder aushandeln, ob sie bei Besoldungserhöhungen mitziehen und wie viel Weihnachts- und Urlaubsgeld sie zahlen.

Rückendeckung für seinen Vorstoß holte sich der Regierende Bürgermeister schon einmal bei den Kollegen Heide Simonis (SPD) aus Schleswig-Holstein und Georg Milbradt (CDU) aus Sachsen. Schon seit 1995 gehört das Land Berlin der Tarifgemeinschaft der Länder nicht mehr an, hat sich aber per Tarifvertrag zur Übernahme der Abschlüsse für Arbeiter und Angestellte des öffentlichen Dienstes verpflichtet. Auch aus dieser Verpflichtung will sich Berlin verabschieden, um die zu erwartenden Lohn- und Gehaltssteigerungen nicht mitvollziehen zu müssen und Zulagen streichen zu können.

Die Gewerkschaften und der Beamtenbund (DBB) wollen die Einbußen keinesfalls hinnehmen. Der DBB, so sein Sprecher Rüdiger von Woikowsky, will „notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen“, um sich gegen die Öffnungsklausel im Besoldungsrecht zu wehren. Zu einem „Zweiklassensystem“ für Beamte mit der Gefahr, dass reiche Länder qualifizierte Kräfte aus armen Ländern abwerben, dürfe es nicht kommen.

Der Berliner Senat hat inzwischen eine extreme Haushaltsnotlage festgestellt und wird beim Bund Sonderzuwendungen beantragen. Um die Schulden von derzeit über 46 Milliarden Euro auf ein verkraftbares Maß zu senken, wären nach Berechnungen des Senats 30 Milliarden Euro nötig. Sie belasten den Berliner Etat mit 2,3 Milliarden Euro Zinsen jährlich. Doch freiwillig rückt Bundesfinanzminister Hans Eichel kein Geld heraus. Das hat er Wowereit gerade erneut klar gemacht. Das Land Berlin wird klagen müssen. Bis diese Klage entschieden ist, werden die Schulden mächtig gestiegen sein.

Neuerdings präsentieren die Studenten Klas Roggenkamp und Mortimer Treibel im Internet den aktuellen Schuldenstand der Bundeshauptstadt – neben dem Emblem eines Berliner Bären, der bettelnd seinen Hut hinhält. Die Schuldenuhr rast um 113 Euro pro Sekunde oder 6780 Euro pro Minute weiter und erzeugt beim Betrachter ein Schwindelgefühl, weil das Auge nicht mithalten kann. Diese Wirkung sei erwünscht, sagen Roggenkamp und Treibel, die Politikwissenschaften in Berlin und Potsdam studieren und aus Hannover stammen. Würde man nach 24 Stunden noch einmal ihre Internetadresse „www.geld-ist-alle.de“ besuchen, so rechnen sie vor, hätte der Ticker schon wieder 9 763 200 Euro addiert.

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