Von E zu M – Government in der 2,5. Generation

„„Abgeholt werden, wo man steht“ hieß das Versprechen des E-Government an den Bürger. Die Mobilmachung der Daten, der Verwaltung vor Augen zimmern virtuelle Rathäuser, digitale Bürgerämter und Online- Behörden fleißig an elektronischen Schaufenstern, Formularkästen und Transaktionsdiensten. Weniger prominent schicken sich einige Angebote auch an, bis in die Hosentasche oder auf die Handflächen des Bürgers vorzudringen“
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erschienen am 26.06.2003 bei politik-digital.de


Von E zu M – „Government“ in der 2,5. Generation „Abgeholt werden, wo man steht“ hieß das Versprechen des E-Government an den Bürger. Die Mobilmachung der Daten, der Verwaltung vor Augen zimmern virtuelle Rathäuser, digitale Bürgerämter und Online- Behörden fleißig an elektronischen Schaufenstern, Formularkästen und Transaktionsdiensten. Weniger prominent schicken sich einige Angebote auch an, bis in die Hosentasche oder auf die Handflächen des Bürgers vorzudringen: vom E-Government führt der Weg weiter zum M-Government, der mobilen Verwaltung, die Bürgern, Unternehmen und ihresgleichen tatsächlich dort begegnet, wo sie sind.Wie sich dieses Zusammenkommen von Mobilität und E-Government gestalten lässt und welche Erfahrungen es bisher gibt, untersucht derzeit mit Unterstützung der EDS Deutschland GmbH ein Projekt des Institute of Electronic Business (IEB) an der Universität der Künste in Berlin anhand einer Analyse bestehender Anwendungen und begleitender Experteninterviews. Ziel ist die Konzeptionierung eines Angebotes, welches auf Potenziale und Barrieren optimal eingeht.

Das Mobile Government als Fortführung und Erweiterung des Electronic Government verspricht, einige der noch unerfüllten Versprechen digitaler Verwaltung einzulösen.
Die Verbreitung von Mobiltelefonen ist mit knapp 71% an der Gesamtbevölkerung höher als die Zahl der Internetnutzer, die zuletzt auf 51% beziffert wurde (Quelle: http://www.nfo-bi.com/bmwa/ (Mai 2003)).

Verbreitung und Nutzerkompetenz
Eine derart hohe Verbreitung gestattet es, über die Einrichtung eines Zugangs zu öffentlichen Dienstleistungen nachzudenken, welcher dem Kunden keine zusätzliche technische Infrastruktur wie einen Computer mit Internetanschluss als Teilnahmebedingung abverlangt. Neben Mobiltelefonen wächst auch die Zahl anderer Endgeräte, die auf mobile Datendienste via GPRS, W-Lan u.ä. (bald dann auch UMTS) zugreifen können.
Im verwaltungsinternen Bereich steht zudem eine Umrüstung von Analog- auf Digital-Funk an, welcher neben besserer und sicherer Sprachkommunikation auch breitbandigere Datendienste ermöglicht. Auch wenn sich dieses Projekt momentan noch in der Finanzierungsdebatte befindet, stehen die Planungen für die Fussball-WM 2006 als starkes Argument den Verfechtern dieser neuen Technologie v.a. im Polizeibereich hilfreich zur Seite.
Insgesamt besteht demnach ein großer Pool an mobilen Endgeräten, die jetzt bzw. in naher Zukunft neben Sprache auch Daten unterwegs transferieren können. Die Kosten für die Datenübertragung sind überdies rückläufig und werden mit einer zunehmenden Verbreitung von Angeboten wie W-Lan Hotspots oder UMTS noch weiter sinken.

Mit der hohen Verbreitung einher geht eine zunehmende Nutzerkompetenz, insbesondere im Hinblick auf die Bedienung der Technik. Diese ist an sich relativ bedienerfreundlich aufgebaut, d.h. komplizierte Konfigurationsschritte entfallen in den meisten Fällen. Das Gerät steht zur Benutzung bereit, nachdem es eingeschaltet wurde. Die Limitierungen der Technologie (Speicher, Leistung, Anzeige) sind hier zudem von Vorteil, weil sie dem Nutzer vielmehr Einschränkungen auferlegen, die „fatale Spielereien“ wie an einem klassischen PC ausschließen. So ist die Nutzerakzeptanz generell wenig durch die Technologie bestimmt.

Mehrwert des mobilen Zugriffs: situative Dienste
Dem Anwender, der in diesem Fall Bürger, Unternehmer oder auch Teil der öffentlichen Hand sein kann, müssen Angebote unterbreitet werden, die ihm einen tatsächlichen Mehrwert (die Utility) liefern – Erfahrungen hinsichtlich der Nutzerakzeptanz, wie sie spätestens der
„WAP-Flop“ aufzeigt. Eine Lösung ohne Problem ist technisch herausfordernd, nur interessiert sich kein Anwender für die dahinterliegende Technologie, wenn er einen Dienst nutzen möchte.

Während das Electronic Government Verwaltungsprozesse unabhängig von Öffnungszeiten gemacht hat, so entfällt durch den mobilen Zugriff die räumliche Gebundenheit wie sie ein klassischer Internetzugang erfordert. Ein Prozess kann situativ angestoßen, bearbeitet und abgewickelt werden: Dort, wo er anfällt. Dem eigentlichen Dienst kommt dadurch eine angenehme Beiläufigkeit und tatsächliche Entlastung zu, die dem eigentlichen Kundencharakter des Anwenders nachkommt.

Wünsche und Realitäten
Die Konnotationen der mobilen Verwaltung gehen auf den ersten Blick in diese Richtung. Hinter dem Begriff des mobilen versteckt sich jedoch weitaus mehr, neben unausgeschöpften Potenzialen auch einiges an Problemen. Die Benutzerseite (Usability und Utility) scheint am Vordringlichsten, aber auch rechtliche und Sicherheitsaspekte, mit denen Anwendervertrauen geschaffen und Vorschriften genüge getan werden sollen, gilt es zu berücksichtigen. M-Government kann allerdings auf die Erfahrungen des E-Government aufbauen, so dass viele Kinderkrankheiten von Anfang an ausbleiben.
Die ersten Ergebnisse des IEB-Projektes deuten auf eine Annäherung von Entwicklern und Entscheidern an M-Government auf zwei Wegen an. Um das Ziel
„mobil“ zu erreichen, wird oft zuerst die Abbildung von Prozessen auf mobilen Interfaces angestrebt, erst nachgeordnet wird der Versuch der Mobilmachung von Prozessen an sich gewagt. Auf beiden Wegen stehen neue Lösungen anderen Probleme gegenüber.

Mobile Abbildung von Prozessen
Die mobile Abbildung der Prozesse gestaltet sich auf der Bedienerseite schwierig. Schon Displaygröße und -auflösung verschiedener Handies eines Herstellers variieren z.T. stark. Unterschiedliche Betriebssysteme (Symbian auf dem Handy, auf dem PDA von Palm über Windows-Varianten bis zu Linux) erschweren die Ausgabe weiter. Hier ist der Kampf um die Standards noch nicht abgeschlossen, mit konvergierenden Endgeräten (Handy + PDA = Smartphone) geht der Wettbewerb in eine weitere Runde.
Glücklicherweise ist inzwischen auf Verwaltungsseite ein Standard dabei sich durchzusetzen.
Das Online Services Computer Interface (OSCI) beschreibt einen Protokollstandard, mit dem rechtlich anerkannte, elektronisch signierte und chiffrierte Dokumente sicher ausgetauscht werden können. Um OSCI herum werden derzeit Austauschformate entwickelt, die Inhaltsdaten für bestimmte Fachverfahren, wie z.B. das Meldewesen, beschreiben. Diese basieren vollständig auf XML und gewährleisten so Plattformunabhängigkeit. Pilotprojekte, wie die mobile Datenabfrage beim Berliner Landeseinwohnermeldeamt, zeigen auf, wie sich eine Prozessverkürzung durch M-Government realisieren lässt: In diesem Fall über eine HTML-Eingabemaske, die in den meisten mobilen Browsern angezeigt werden kann – denkbar ist dies genauso gut als WAP-Angebot oder über eine eigenständige Java-Applikation. Der Datentransfer findet über einen gesicherten OSCI-Proxy statt – bis zur Einführung nutzerseitiger Signaturlesegeräte allerdings nur als Umgehungslösung anzusehen.

Dieses Projekt (Meldeabfrage) hat aber neben der Veranschaulichung der Möglichkeiten auch Probleme aufgezeigt, die dem E-Government-Anbieter nicht unbekannt sind: Signierung und sichere Nutzerauthentifizierung.
Notwendig für komplexere Prozesse, bei denen vor allem sensible Daten transferiert werden, ist nach wie vor eine digitale Signatur. Mangels ausreichender Standardisierung und Interoperabilität (also z.B. die Möglichkeit, eine Signaturkarte bei einem anderen Anbieter als demjenigen, von dem die Karte herausgegeben wurde, verwenden zu können) ist die Verbreitung solcher Signaturen noch gering. Trotz verschiedener Initiativen, wie z.B. in Bremen, legen sich nach wie vor viel zu wenig mögliche Nutzer eine Signaturkarte plus entsprechendem Lesegerät zu. Auch die in einer Studie von Mummert Consulting geäußerten Bedenken hinsichtlich der begrenzten Gültigkeitsdauer werden diesen Trend nicht brechen helfen.
Für Anhänger des M-Government zuerst einmal ein vielversprechender Ansatzpunkt, enthält doch ein Mobiltelefon neben Eingabegerät (Tastatur) und Ausgabe (Display) auch ein Kartenlesegerät, in welchem die SIM-Karte steckt. Dienste wie das von e-plus vertriebene i-mode setzen genau auf diese Kombination, um den Kunden zu identifizieren und ihm personalisierte Dienstleistungen anzubieten. Sobald sich die Mobilfunkanbieter entscheiden, diese Schnittstellen offen zu legen, entsteht ein tatsächlicher Anreiz, Verwaltungsangebote mobil zu machen, die über das bestehende Maß an Information und gewisser Transaktion hinausgehen. Ebenso die Nutzung von biometrischen Scannern, die zunehmend bei marktüblichen mobilen Endgeräten zu finden sind, kann die Signaturfrage lösen helfen und das Entwickeln von Verwaltungsangeboten für diese Endgeräte belohnen.

Mobilmachung von Prozessen
Bis hierher geht die Entwicklung aber noch nicht über die Übertragung von bestehenden Prozessen auf andere Ausgabeformate hinaus. Zukünftig wird noch vielmehr an originär mobilen Anwendungen gearbeitet werden müssen, also an Angeboten, die ihren Wert erst durch die mobile Nutzung erhalten. Wie im M-Commerce heißen die Buzz Words hier
„Personalisierung“ und „Location Based Services“, mit allen Versprechen und Befürchtungen.
Bei Experteninterviews im Rahmen des M-Government Projektes am IEB wurden Visionen geäußert, welche vom automatischen Ziehen einer Wartenummer beim weiterhin unvermeidlichen Amtsgang über personalisierte Informationssysteme (wie z.B. im Botanischen Garten Berlin vorgemacht wird) und automatisiertes Fuhrparkmanagement bis hin zu papierlosen Dokumenten, die nur bei Bedarf abgerufen werden, reichen.
Die Realität ist davon noch entfernt. Die im Rahmen der Untersuchung aktueller M-Government Projekte bisher ausgewerteten Angebote und Konzepte zeigen, dass die größte Entwicklungsaktivität momentan auf der Informationsebene passiert. Hier findet sich mit knapp 40% das Gros der Angebote. Auf der Transaktionsebene finden sich ein Drittel der Angebote. Kommunikationsangebote bilden etwas mehr als 22% der bestehenden bzw. in der Entwicklung befindlichen Angebote.
Da die Vorreiter des mobilen Bezahlens sich nicht durchsetzen konnten, scheint es nicht verwunderlich, dass fast alle Dienstleistungen kostenlos sind, abgesehen von den üblichen Ãœbertragungskosten. Ebenso sind mehr als 3/4 der Angebote nutzbar ohne weitere Identifizierungsschritte. Wo eine Anmeldung notwendig ist, geschieht dies in der Regel mit einer User/Passwort – Kombination.

Interessant bei all der Mobilität ist die derzeitig vor allem regionale Begrenzung von mobilen Angeboten, was aber den Trend beim E-Government zu Insellösungen widerspiegelt. Eine Integration verschiedener Dienste in eine Art mobiles Portal schafft bisher nur das im Rahmen von Media@Komm entwickelte Angebot der Stadt Esslingen.
Im verwaltungsinternen Einsatz mobiler Dienste scheint sich derzeit ein Stillstand bzw. eine Wartehaltung auszubreiten. Hier findet die geringste Entwicklungsaktivität statt, womöglich auch bedingt durch prekäre Haushaltssituationen und den zu wenig kommunizierten Mehrwert gerade im Hinblick auf Einsparungen und Optimierungen – über das E-Government hinaus. Indiz dafür ist auch die Verschiebung eines Fachkongresses zum Thema elektronische Verwaltung mit der Begründung, dass aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage der öffentlichen Ämter und Einrichtungen eine Hemmschwelle für Investitionen auf Seiten der Entscheider bestehe.
Die vorhandenen Standards scheinen fürs erste zu genügen, jedoch sind von Entwicklungen wie der Verbreitung von W-Lan (da es sich vornehmlich um regional begrenzte Dienste handelt) oder der Einführung von Digital-Funk neue Impulse zu erwarten.

An die verbleibenden Barrieren des M-Government wagen sich Entscheider und Entwickler zur Zeit noch sehr behutsam heran. Fragen des Datenschutzes, wie sie z.B. Location Based Services aufwerfen, werden zwar wahrgenommen, mangels ausgereifter Lösungen aber technisch weitestgehend umgangen. Die Bereitstellung von Informationen in verschiedenster Aufbereitung ohne Rückkanal ist insofern verständlich. Existierende Angebote dienen auf jeden Fall der Schaffung von erstem Nutzervertrauen und notwendigen Erfahrungen. Konzepte wie die Mobilen Bürgerdienste in Berlin werden hier Vorreiter sein um das Potenzial von M-Government unter Beweis zu stellen:
M-Government hilft auf Verwaltungsseite, Prozesse, die im Backend durch E-Government bereits verbessert wurden, auch auf der Anwenderseite zu verbessern und ermöglicht so eine weitere Optimierung. Für den Bürger bedeutet es einen weiteren Zugangskanal, der ihm nun erlaubt, situationsbasiert mit der öffentlichen Hand zu interagieren.
Er kann sich abholen lassen, wo er steht.

Klas Roggenkamp ist Student am Institute of Electronic Business und Mitinitiator des Semester-Projektes „Mobile Government“, welches mit der Unterstützung der EDS Germany GmbH realisiert wird. Schwerpunktmäßig ist er für die erste Phase des Projektes (Recherche, Interviews, Analyse) verantwortlich.

Erschienen am 26.06.2003



Weiterführende Artikel:

Links im Internet:

Link: http://www.politik-digital.de/egovernment/bund/vonezum.shtml
Link: http://www.m-government.info

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