Habe gestern den inzwischen oft zitierten Text von Danah Boyd gelesen, den sie beschließt mit der Feststellung:
in order to exist online, we must write ourselves into being.
Bei Richard Ling ist analog viel zu lesen von einer virtuellen Ko-Präsenz, u.a. bei Jugendlichen im Umgang mit mobiler Kommunikation. In Anlehnung an die Verdinglichung, also die „Tendenz, alles und jedes zum Gebrauchs- und Verbrauchsobjekt zu machen“ kann man hier die mehrfache Beschreibung einer „Verdigitalisierung“ beobachten.
So in die Tüte gesprochen ins Blog geschrieben: „die Tendenz, alles und jedes zum digitalen- und Kommunikationsobjekt zu machen“. Insgesamt eine Frage der Wahrnehmung durch eben Online-Profile oder auch nur das Gefühl von Sicherheit, jemanden erreichen zu können oder zu wissen, dass man erreichbar, auffindbar ist. Der Diskurs über „Google zerstört meine Job-Chancen“ quasi umgedreht zu „ohne Google-Ranking bin ich nicht existent“.
Hm … spannend … werde das in den nächsten Tagen mal ausführen.
Sechs Milliarden Menschen (be)deuten sechs Milliarden Realitäten. Nehmen wir nun das Ergebnis der Perzeption virtueller Persönlichkeitsabbildungen hinzu, potenziert sich diese Zahl.
Im Endeffekt kann die „Verdigitalisierung“ zu einer real-virtuellen Phrenie führen. Diese Persönlichkeitsstörung kann in der Abspaltung virtueller Lebensbereiche und -erfahrungen kulminieren. D.h. jemand gibt sich in der virtuellen Welt anders, als im offline-(Er)Leben. Eine leichte Form dieser Schizomanie bzw. -phrenie zeigt sich in der überhöhten Eigendarstellung in Kontaktprofilen. Die „virtuelle Wirklichkeit“ wird – unter Zuhilfenahme der zur Verfügung gestellten Werkzeuge – an die eigenen Wunschvorstellungen angepaßt.
Gefällt mir gut – die Frage ist also: wie digital muss ich sein? Ein Unternehmen, dass keine eigene Webseite hat, existiert quasi nicht, aber braucht jeder Autoschrauber einen Firmenblog?
zu Daniel: Eine Störung würde ich schon als was anderes deuten. Klar kann man sich \\\“virtuell\\\“ anders geben als \\\“real\\\“, aber der Punkt ist doch gerade, das nicht zu tun. Sowohl Danah als auch Link schreiben genau das: da wird nicht eine neue Realität suggeriert, sondern die vorhandene prominent dargestellt. Ist eben einfacher, ganz nach dem Motto Meet my 5000 new pals …
Was nutzt denn ein OpenBC-Kontakt, wenn ich ihm beim ersten echten Businesskontakt zeige, dass ich eigentlich ein Idiot bin. Hier lebt doch sowas auf wie ein soziales Long Tail-Prinzip … plötzlich findet man eine soziale Nische, in der man tatsächlich auch unerwartet Freunde findet.
zu Daniel F.: Meine Antwort ist ja wohl klar: jeder
solltemuß digital sein, und wenn der Autoschrauber auch was zu sagen hat, dann findet er seine Leserschaft. In der Regel immer min. das soziale Netzwerk, das man eh schon hat. Für irgendjemanden ist die Idee wohl wichtigIch kriege zum Beispiel super viel Traffic über die Suche nach \\\“PDA als Webcam\\\“ … darüber habe ich mal vor Jahren einen Mini-Eintrag gemacht, aber der führt immer wieder Leute auf meine Seite, und dann auf die Lösung. Wenn aus 1000 Blog-Einträgen einer gut ist, und wenn ohne den ease-of-use, den ein Blog verspricht dieser gute Eintrag mit seiner Info nicht online wäre, dann ist doch viel gewonnen.
zu Klas und Daniel: Die Verdigitalisierung schafft einen neuen sozialen Raum, in dem Menschen sozial handeln. Aber die Frage ist schon, in welchem Bezug er zur „Wirklichkeit“ steht. Ich glaube schon, dass der soziale Raum Internet ein paar Spezifika hat, die ihn unterscheiden. Zum Beispiel spielt Lokalität keine Rolle. Auch so etwas wie kulturelle Identität wird völlig schwammig. Und so ganz kann man den Askept der konstruierten Identäten nicht von der Hand weißen. Mit lonleygirl haben ein paar junge wilde schon etwas konstruiert, dass zum einen als produkt erfolgreich war und zum anderen auch eine wirkliche Konsequenz für die realen Produzenten hatte. Alle haben – soweit ich weiß – bei der ein oder anderen Medienproduktionsbude angeheuert. Um zu einem Fazit zu kommen: Ich bin der Ãœberzeugung, dass mit der Verdigitalisierung ein neuer sozailer Raum entsteht, in dem zwar ähnliche aber auch grundlegend neue soziale Regeln und Rollen des sozialen Handelns gelten.