Halb und halb

Die IuK-Kommission hat sich bei der Frage Microsoft oder Linux im Bundestag für eine Hybrid-Lösung ausgesprochen. Auch wenn die endgültige Entscheidung noch aussteht, ist es wahrscheinlich, dass sich nun auch der Bundestag für Open Source öffnet.

Im Kampf GNU versus DAU ist die letzte Runde eingeleitet worden. Vor der abschließenden Entscheidung des Ältestenrates im Bundestag Mitte März hat sich heute die Kommission für den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechniken und – medien für eine Hybrid-Lösung aus Open Source und Microsoft ausgesprochen.
In der viel kritisierten und anscheinend nicht offiziell verfügbaren Studie sprach sich das vom Bundestag beauftragte Beratungsunternehmen Infora für ein weitestgehendes Festhalten an Microsoft-Software aus. Einzig im Bereich der Email- und Groupwareserver sollte die Open Source Variante zum Zuge kommen.

Die IuK-Kommission hat sich den Empfehlungen der Studie nicht angeschlossen, sondern bevorzugt die auf Platz zwei rangierende Software – Zusammensetzung.
Trotz erwarteter Mehrkosten von 80.000 Euro pro Jahr im Vergleich zum Infora-Favoriten geht die Kommission davon aus, dass die komplette serverseitige Umstellung auf das Betriebssystem Linux, insbesondere aber die Verwendung von OpenLDAP als Verzeichnisdienst zukünftig Vorteile bietet. Diese strategische Ãœberlegung soll die „bestehende Abhängigkeit von den Produkten eines Anbieters lockern“. Gerade der Verzicht auf den Einsatz des Microsoft-Verzeichnisdienstes „Active Directory“ kann bei Neuanschaffungen Einsparungspotenziale bieten, da mit OpenLDAP mehr bzw. andere Software-Anbieter als Microsoft in die Auswahl einbezogen werden können.

Client-seitig, also auf Desktoprechnern, wird dem von Microsoft vorgegebenen Migrationspfad gefolgt und auf das XP-Paket gesetzt.
Somit bleibt im Desktopbereich auch weiterhin der Abhängigkeitszyklus von Microsoft-Produkten, der sogenannte „office-lock-in“, erhalten. Diesem hatte die Nutzwertanalyse von Infora ebenso wie andere Studien zu diesem Thema Rechnung getragen. Eine flache und somit lange Lernkurve einfacher Anwender bei einer Umstellung auf Büro-Anwendungen anderer Anbieter (als Microsoft), so wird befürchtet, könnte durch die auftauchenden Behinderungen des Alltagsbetriebes die Kosten einer derartigen Veränderung schnell in die Höhe treiben und dadurch jeglichen Nutzen zunichte machen.

Noch wird nicht sehr viel von öffentlicher Seite aus getan, um diesem lock-in zu entkommen. Viele Initiativen mit denen die Computer-Tauglichkeit der breiten Masse gefördert werden soll, seien es Fortbildungsmaßnahmen, Computerführerscheine oder Volkshochschulkurse, konfrontieren im Normalfall den Lernwilligen mit Produkten aus dem Microsoft-Imperium. Anwenderkenntnisse für Linux wirken daneben extravagant, ebenso deplaziert scheinen Anmerkungen zu Sicherheit oder Kompatibilität.

Im Bundestag wurde und wird zumindest im Bereich Internetein anderer Pfad beschritten. Als Internet-Browser und Email-Client bleibt der Netscape Communicator auch zukünftig die Standardanwendung, nicht zuletzt aufgrund der verringerten Virenanfälligkeit im Vergleich zu Microsofts Outlook und Internet Explorer. Die Überlegungen über den Einsatz nicht proprietärer Büro-Anwendungen sind bis jetzt noch nicht zitierfähig, u.a. in der SPD-Fraktion wird dieser Weg aber bereits erkundet.

Für den Bundestag akut wurde die ganze Diskussion durch die Ankündigung von Microsoft, zum Ende des Jahres 2002 die Support- und Aktualisierungsangebote für das derzeit verwendete Windows NT 4.0 auslaufen zu lassen. Die naheliegende nächste Stufe wäre die komplette Migration zu Windows XP gewesen. Aber genau aus dieser Abhängigkeit kann und will sich der Bundestag nun lösen – die serverseitige Umstellung ist der erste Schritt dorthin. Die erhoffte Signalwirkung (Pro Open Source) für die deutsche Softwarebranche durch eine Umstellung auch im Desktopbereich lässt aber immer noch auf sich warten.

Die endgültige Entscheidung soll voraussichtlich am 14. März gefällt werden. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass der Ältestenrat von der jetzt gefällten Entscheidung abweichen wird.

Link: http://www.politik-digital.de/egovernment/weitere/ms_linux.shtml

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