Wahl-O-Mat in der Netzeitung

„Der Wahl-O-Mat soll Wählern Hilfestellung geben. Die Netzeitung fragte Klas Roggenkamp von der Berliner Initiative Politikfabrik nach den Grenzen der Wahlhilfe.“
der Artikel im Volltext


erschienen am 20.09.2002 in der Netzeitung


Politische Ziele
20. Sep 2002 02:43Der Wahl-O-Mat soll Wählern Hilfestellung geben. Die Netzeitung fragte Klas Roggenkamp von der Berliner Initiative Politikfabrik nach den Grenzen der Wahlhilfe.

Netzeitung: Welche Absicht steht hinter dem Wahl-O-Mat: Geht es darum, auf spielerische Weise darauf hin zu weisen, dass es bei Wahlen zwar vordergründig um Personen, inhaltlich aber um Wahlprogramme geht, oder nimmt er in Anspruch, tatsächlich eine Hilfestellung für unentschlossene Wähler zu geben?

Klas Roggenkamp: Der Wahl-O-Mat soll es den Nutzern erleichtern, zwischen den einzelnen Parteiaussagen unterscheiden zu können. Dabei ist unser Leitfrage: Welche Partei steht dem Nutzer am nächsten? Das ist aus unserer Sicht eine Wahlhilfe.

Netzeitung: Wie ist die Auswahl der 27 Fragen zustande gekommen?

Roggenkamp: Die 27 im Wahl-O-Mat enthaltenen Fragen sind die Quintessenz aus über 80 Fragen zu allen denkbaren politischen Problemfeldern, die durch die Wahl-O-Mat-Redaktion aus den Parteiprogrammen herausgearbeitet wurden. Es enstand ein Fragebogen, der an die Bundesgeschäftsführungen gesendet wurde. Als Antwortmöglichkeiten gab es nur �Ja�, �Nein� und �Neutral�. Viele Fragen haben es nicht in die endgültige Version des Wahl-O-Maten geschafft, weil sie
a) nicht von allen Parteien beantwortet wurden.
b) zu ausführlich beantwortet wurden (u.a. mit Auszügen aus dem Parteiprogramm)
c) von allen Parteien gleich beantwortet wurden.

Netzeitung: Wenn die Mehrheit der thematischen Komplexe gar nicht in den Katalog des Wahl-O-Maten aufgenommen werden konnte, muss dann nicht von vornherein von einer Verzerrung der Ergebnisse ausgegangen werden?

Roggenkamp: Im Hinblick auf die Wahlhilfe sind die Inhalte der Fragen/Thesen nicht so sehr entscheidend wie die Fähigkeit der Fragen/Thesen, zwischen den Parteien zu diskriminieren, d.h. die Differenz zwischen den Parteien aufzuzeigen. Der Wahl-O-Mat erhebt keinen Anspruch auf inhaltliche Vollständigkeit, vielmehr wird auf einige Themengebiete schwerpunktmäßig eingegangen. Diese Themengebiete können durch den Nutzer gesondert gewichtet werden, um die Tendenzen zu berechnen. Eine Gewichtung jeder einzelnen Frage/These wäre aber wünschenswert.

Netzeitung: Können die notwendigerweise stark vereinfachenden Fragen den komplexen Problemstellungen und den differenzierten Lösungsvorschlägen der Parteien überhaupt gerecht werden?

Roggenkamp: Der Wahl-O-Mat berücksichtigt nur das Vorhandensein eines politischen Zieles und nicht das �Wie� der Umsetzung. Es geht dabei auf beiden Seiten um die Grundeinstellung pro/contra.

Netzeitung: Müssten die Parteien korrekterweise nicht das Gros der Fragen mit �Neutral� beantworten, weil weder �Ja� noch �Nein�, sondern vielmehr ein �Ja, aber…� ihre tatsächlichen Positionen kennzeichnet? Die Union hat das ja häufig gemacht …

Roggenkamp: Ob die Parteien anders antworten müssten, interessiert uns insofern nicht, weil das eine Entscheidung ist, die von der jeweiligen Partei gefällt werden muss. Uns ging es darum, eine Zielsetzung zu erfassen, für oder gegen ein Thema, eine Sachfrage. Letztlich ist es natürlich auch für die Partei wichtig, diese Grundeinstellung zu treffen und für sich zu kommunizieren.

Netzeitung: Besteht nicht die Gefahr, dass Wähler, die sich ansonsten wenig über die Positionen der einzelnen Parteien informieren, die Ergebnisse des Wahl-O-Mat tatsächlich zur Grundlage ihrer Wahlentscheidung machen? Gibt es bereits Informationen darüber, wie die Leute das Angebot nutzen, und welchen Stellenwert es für sie hat?

Roggenkamp: Wir glauben nicht, dass sich die Leute nach dem Wahl O-mat nicht mehr informieren. Das Feedback deutet eher auf das Gegenteil: Der Wahl-O-Mat ist ein Anreiz, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen, gerade auch weil die Thesen des Wahl-O-Mat sehr wenig Details anbieten. Gerade in Schulen wird der Wahl-O-Mat als Ausgangspunkt für weitere Diskussionen genutzt. Vor Ort, wie etwa auf der Schultour unser Kampagne �die Wahl Gang�, konnten wir direkt erleben, wie sich bei der Benutzung des Wahl-O-Mat über erste Verständnisfragen eine Debatte mit den Umstehenden entwickelte, die das Für und Wider der einzelnen Themen diskutierten.

Netzeitung: Wer hat das Projekt entwickelt, und welche Rolle spielt die Bundeszentrale für politische Bildung dabei?

Roggenkamp: Der Wahl-O-Mat ist Teil der Kampagne �die Wahl Gang�, welche von der Politikfabrik initiert wurde. Gestecktes Ziel dieser Kampagne ist es, Erstwähler zum Wählen zu bewegen, wir wollen den Anteil der Erstwähler im Wahlkreis 084 in Berlin um 5 Prozent erhöhen.

Die Politkfabrik entstand aus einem Politkseminar an der Freien Universität Berlin, die Bundeszentrale für politsche Bildung stieg als Kooperationspartner in dieses Projekt ein und unterstützt unsere Kampagne vor allem finanziell. Durch deren Verbindungen zum holländischen IPP kam es zur Idee, den in Holland bereits erfolgreich offline und online erprobten �stemwijzer� auf den deutschen Markt zu bringen und zu testen. Von den Studenten wurde Inhalt und Design erarbeitet, in Teilen unterstützt durch die Bundeszentrale und die Erfahrungen aus Holland.

Alle Rechte � 2002 NZ Netzeitung GmbH
Link: http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=585&item=207419
Link: http://www.wahl-o-mat.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert